Der Bundesrat hat uns Ende Oktober 2023 in Erfüllung des Postulates Carobbio Guscetti 21.3296 einen Bericht vorgelegt, der die Massnahmen aufzeigt, die es braucht, damit Menschen mit einer geistigen Behinderung am politischen und öffentlichen Leben teilhaben [PAGE 716] können. Das schliesst auch das Recht und die Möglichkeit ein, zu wählen und gewählt zu werden. Der Bericht umfasst 41 Seiten und gibt eine gute Übersicht über den Status quo sowie über mögliche Handlungsoptionen, um die Partizipationsmöglichkeiten für Personen mit Behinderungen zu verbessern. Der Bericht zeigt aber auch, dass dies nicht uneingeschränkt möglich ist und wo Probleme und Herausforderungen liegen.
In Kenntnis dieses Berichtes hat Ihre SPK im Rahmen der Beratung von drei Petitionen der Behindertensession, die eine Verbesserung der Ausübung der politischen Rechte für Menschen mit Behinderungen generell anstreben, eine ausführliche Diskussion zum Thema geführt. Dabei hat sich Ihre Kommission insbesondere mit drei Themenfeldern befasst.
1.[NB]Wie wird mit aktivem und passivem Stimm- und Wahlrecht bei Urteilsunfähigkeit und/oder Beistandschaft umgegangen? Wäre die Ausübung politischer Rechte von der zivilrechtlichen Mündigkeit zu trennen? Das lehnt die SVP-Fraktion klar ab, aber diese Diskussion wird noch geführt.
2.[NB]Die Publikation von Abstimmungsunterlagen in der sogenannten Leichten Sprache: Sie kennen das vielleicht, Sie können bereits heute die Parlamentswebsite in Leichter Sprache besuchen. Das ist ganz praktisch – aber versuchen Sie einmal, eine BVG-Reform in Leichter Sprache neutral zu vermitteln!
3.[NB]Wir haben über das Sozialversicherungsrecht im Zusammenhang mit einer politischen Tätigkeit gesprochen. Hier geht es unter anderem auch um die Frage der Inanspruchnahme entsprechender Assistenzleistungen sowie um die Frage von Sozialversicherungsleistungen während und nach Ausübung eines Parlamentsmandats.
Alle drei Themenfelder führen zu komplizierten und sehr grundlegenden rechtlichen sowie staatspolitischen Fragestellungen, mit welchen sich die Kommission weiter beschäftigen wird und über welche sie erst zu einem späteren Zeitpunkt befinden wird. Daher steht das vorliegende Postulat etwas quer in der Landschaft. Die Annahme wurde dann auch nur ganz knapp, mit 13 zu 12 Stimmen, beschlossen.
Für diese 12 Stimmen in der Kommission spreche ich jetzt: Mit dem Postulat bekämen wir einfach einen weiteren Bericht des Bundesrates. Den braucht es aber nicht. Die Diskussion wird in der Kommission weitergeführt; wir kennen die Handlungsoptionen. Wie erwähnt, hat sich aber auch gezeigt, dass es Grenzen gibt. Hindernisfreiheit und politische Partizipation sind grundsätzlich anzustreben, aber Menschen mit Behinderungen sind nicht einfach gleich Menschen mit Behinderungen. Es ist ein Unterschied, ob wir physische Barrieren abbauen oder ob es um kognitive Beeinträchtigungen geht. So zeigt sich klar, dass Partizipation und Hindernisfreiheit bei kognitiven Beeinträchtigungen nur bedingt möglich sind. Es ist ein Unterschied, ob wir von Gebärdensprache, ergänzter Lautsprache oder Leichter Sprache sprechen. Die Inanspruchnahme von Assistenzleistungen sowie das Sozialversicherungsrecht im Zusammenhang mit einem Parlamentsmandat sind dann wieder ganz gesonderte Diskussionen.
Zu den ausserparlamentarischen Kommissionen möchte ich noch erwähnen, dass wir gerade gestern der Motion Burgherr 22.4482 zugestimmt haben, die eine deutliche Reduktion der Anzahl der ausserparlamentarischen Kommissionen verlangt; weil diese häufig unnötig sind, wurde die Forderung nach einer neuen Kommission aus dem ursprünglichen Entwurf des Postulates gestrichen. Aber auch so entsteht etwas der Eindruck, dass die Kommissionsmehrheit die Annahme dieses Postulates beantragt, um damit einfach zu signalisieren, dass man das Thema wichtig findet. Da in der Kommission alle konkreten Anträge aufgrund der zugrunde liegenden Komplexität im Verlauf der Diskussion zur weiteren Prüfung zurückgestellt wurden, hat man sich halt für dieses Postulat entschieden, um wenigstens irgendetwas zu tun. Sie können aber getrost darauf verzichten und zu gegebener Zeit über die konkreten Anträge befinden.
In diesem Sinne beantrage ich Ihnen, meiner knappen Minderheit zu folgen.