In der Schweiz tätige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) finanzieren einen erheblichen Teil oder sogar die Mehrheit ihres Budgets aus öffentlichen Geldern. Gleichzeitig betreiben sie Lobbying und politische Kampagnen, beispielsweise im Zusammenhang mit der anstehenden Abstimmung über die Zahlungen an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).
Der Bundesrat lehnt eine Motion von Nationalrat Beat Walti ab, die eine klare Trennung zwischen gemeinnützigen und anderen – insbesondere politischen – Aktivitäten von NGOs fordert.
Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen:
- Finanzielle Zuwendungen
a) Wie hoch waren die jährlichen Zahlungen des Bundes an NGOs in den letzten fünf Jahren?
b) Kann der Bundesrat eine Aufschlüsselung dieser Zahlungen nach Jahr, Höhe, Departement und Art der Unterstützung (z.B. Projektgelder, institutionelle Beiträge) vorlegen? - Transparenzregelungen
a) Welche bestehenden gesetzlichen und administrativen Vorschriften gewährleisten Transparenz bei der Vergabe staatlicher Mittel an NGOs?
b) Sind NGOs verpflichtet, ihre Finanzierung offenzulegen, insbesondere im Hinblick auf staatliche Zuwendungen? - Zentrale Erfassung und Kontrolle
a) Existiert eine zentrale, öffentlich zugängliche Datenbank, in der sämtliche staatlichen Zuwendungen an NGOs erfasst sind?
b) Falls eine solche Datenbank nicht existiert: Gibt es Pläne für deren Einführung? Falls nein, weshalb nicht? - Sicherstellung der Zweckbindung
a) Welche Massnahmen ergreift der Bund, um sicherzustellen, dass öffentliche Gelder nicht für politische oder Lobbying-Tätigkeiten zweckentfremdet werden?
b) Werden Kontrollen durchgeführt, um die Einhaltung dieser Vorgaben zu gewährleisten? Falls ja, in welcher Form? - Interessenkonflikte
a) Viele Mitarbeiter des Bundes, insbesondere im Bereich der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), waren zuvor bei NGOs tätig. Wie stellt der Bund sicher, dass hier keine Interessenkonflikte entstehen?
b) Welche Regeln oder Massnahmen bestehen, um eine unvoreingenommene und transparente Projektvergabe zu gewährleisten?
Antwort des Bundesrates:
Der Bund arbeitet in verschiedenen Bereichen mit NGO zusammen, wie in der Gesundheits-, Migrations-, Landwirtschafts-, Forschungs-, Umwelt- oder Alterspolitik, basierend auf den jeweiligen Rechtsgrundlagen. NGO erfüllen dabei Aufgaben, an deren Erfüllung der Bund gemäss Subventionsgesetz (SuG; SR 616.1) ein Interesse hat, oder Aufgaben im Auftrag des Bundes gemäss Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1). Juristische Personen können von der Steuerpflicht befreit werden, wenn sie gemeinnützige, öffentliche Zwecke oder Kultuszwecke verfolgen (vgl. Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11), Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)). Der Bundesrat verweist für weitere Informationen zu diesen Fragen auf seine Stellungnahmen zu den Motionen 20.4395 Portmann «Keine öffentlichen Gelder an Projekte von NGO, welche sich an politischen Kampagnen beteiligen» und 20.4162 Noser «Werden die Anforderungen an die Steuerbefreiung juristischer Personen wegen Gemeinnützigkeit in Falle von politischer Tätigkeit eingehalten?» sowie auf seine Antwort auf die Interpellation 20.4501 Bourgeois «Transparenz bei der finanziellen Unterstützung von NGO durch den Bund».
1./3. Eine Aufschlüsselung aller Zahlungen an Schweizer NGO in den letzten 5 Jahren nach Jahr, Höhe, Departement und Art der Unterstützung würde den Rahmen einer Interpellation sprengen. Die von der internationalen Zusammenarbeit (IZA) unterstützten Schweizer NGO sowie die Zahlungen wurden letztmals im Bericht des Bundesrates vom 11. Oktober 2023 in Erfüllung des Postulates 20.4389 Schneider-Schneiter «Bundesbeteiligung und gesetzliche Grundlagen bei schweizerischen NGO» dargelegt. Eine bundesweite zentrale Datenbank existiert nicht und ist nicht in Planung. Der Bundesrat unterbreitet gemäss Artikel 4 ff. des Finanzhaushaltgesetzes (SR 611.0) der Bundesversammlung jährlich die Staatsrechnung zur Abnahme.
2. Das SuG und das BöB sowie die dazugehörigen Verordnungen und in den Departementen erlassenen Weisungen gewährleisten die Transparenz der staatlichen Vergaben. Was die Organisationen an sich betrifft, gilt die jeweilige kantonale Gesetzgebung, insbesondere wenn eine Steuerbefreiung gewährt wurde. Im Fall der IZA ist es beispielsweise bei der Gewährung von sogenannten Kernbeiträgen der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) an Schweizer Organisationen obligatorisch, dass die jeweilige Organisation eine Zertifizierung, beispielsweise durch die Stiftung Zewo, vorweisen kann. Die Stiftung Zewo macht ihre Zertifizierung davon abhängig, dass die Organisation in der jährlichen Berichterstattung über ihre gesamte Tätigkeit informiert. Die jährliche Berichterstattung umfasst einen Jahresbericht mit einem Teil zur erbrachten Leistung sowie die revidierte Jahresrechnung nach Swiss GAAP FER, unter besonderer Berücksichtigung von Swiss GAAP FER 21.
4. Die vertraglichen Bestimmungen stellen sicher, dass die Gelder einzig und allein für den vertraglichen Zweck genutzt werden. Im Fall der IZA setzt beispielsweise das EDA verschiedene Instrumente ein, um die ordnungsgemässe Verwendung der Mittel zu überwachen, zu gewährleisten und Unregelmässigkeiten zu verhindern. Diese Instrumente werden sowohl auf einzelne Projekte als auch auf Partnerorganisationen angewendet. So werden beispielsweise Partnerorganisationen vor einem Vertragsabschluss einem «Partner Risk Assessment» unterzogen. Ein Instrument sind systematische externe Zwischen- und Abschlussevaluationen von Projekten. Zudem überprüfen internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften jährlich die Finanzen. Die Verwendung von DEZA-Geldern durch Schweizer NGO wurde mehrmals, zuletzt 2022, von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) geprüft. Die Finanzierung von politischen Kampagnen und Lobbyarbeit in der Schweiz mit Mitteln der IZA war und ist klar untersagt. Seit 2021 dürfen Schweizer NGO zudem für Informations- und Bildungsarbeit in der Schweiz keine Mittel mehr aus DEZA-Kernbeiträgen verwenden. Eine Übersicht über diese Instrumente der gesamten Bundesverwaltung würde den Rahmen einer Interpellation sprengen.
5. Weder die DEZA noch andere Bundesämter führen Listen zu bisherigen Arbeitgebern ihrer Mitarbeitenden. Gemäss Artikel 20 Absatz 1 des Bundespersonalgesetzes (BPG; SR 172.220.1) haben die Angestellten die ihnen übertragene Arbeit mit Sorgfalt auszuführen und die berechtigten Interessen des Bundes zu wahren. Der Verhaltenskodex für das Personal der Bundesverwaltung konkretisiert die Pflichten der Angestellten unter dem BPG und der dazugehörigen Verordnung. Im EDA beispielsweise müssen alle Mitarbeitenden zudem eine Unbefangenheits- und Unabhängigkeitserklärung unterzeichnen, die für alle Beschaffungs- und Vergabeprozesse gilt.