20.244368 Bedingte Strafen sollen nur bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe möglich sein

Grund des Vorstosses:

Eine bedingte Strafe wird nicht vollstreckt, wenn der Täter nicht rückfällig wird. Der Churer Ex-Richter, welcher wegen einer Vergewaltigung und mehrfacher sexueller Belästigung einer Praktikantin schuldig gesprochen wurde, bekam trotz 23 Monaten Freiheitsstrafe nur eine bedingte Strafe. Der Täter und Ex-Richter muss lediglich eine Busse von CHF 2300 bezahlen. Dies ist bei Weitem nicht der einzige derartige Fall. Bereits vor einem Jahr in Zürich wurde ein Mann wegen Vergewaltigung eines Au-pairs schuldig gesprochen und erhielt nur eine bedingte Strafe von 22 Monaten. Jede zweite Vergewaltigung wird nur bedingt ausgesprochen, ohne dass der Täter nur einen Tag ins Gefängnis muss. 

Auch andere Delikte wie schwere Körperverletzung oder sexuelle Handlungen mit Kindern können mit dieser gesetzlichen Regelung nur eine bedingte Freiheitsstrafe zur Folge haben. 

Die Bestimmung von Art. 42 Abs. 1 StGB sieht explizit vor, dass eine bedingte Strafe bis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren ausgesprochen werden kann. Dabei handelt es sich aber bereits um schwere Vergehen und Verbrechen, die ein solches Strafmass mit sich ziehen. Hier spielt auch der Abschreckungseffekt eine wichtige Rolle. Eine bedingte Strafe bedeutet sogar, dass der Strafeintrag (wenn der Täter nicht mehr delinquiert) nach einigen Jahren wieder gelöscht wird.

Der Grossteil der Bevölkerung kann diese Regelung nicht nachvollziehen. Kritik kommt auch von Experten auf. Das Schweizer Strafrecht ist im Gegensatz zum Ausland in vielen Bereichen deutlich milder und setzt sehr stark auf Resozialisierung. 

Der Bundesrat soll daher die Strafbestimmung von Art. 42 Abs. 1 StGB insofern anpassen, dass nur eine bedingte Freiheitsstrafe von maximal 1 Jahr möglich ist und nicht wie bisher von zwei Jahren. Denn eine Prognose, ob der Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen absieht, ist immer schwierig zu fällen. Ausserdem handelt es sich bereits um ein schwereres Delikt, wenn ein Täter eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr erhält. Eine bedingte Strafe wirkt dann zu wenig repressiv. Diese Bestimmung im StGB soll daher angepasst werden.

Antwort des Bundesrates:

Einleitend ist festzuhalten, dass sich die objektiv richtige Obergrenze für die Gewährung einer bedingten Freiheitsstrafe nicht punktgenau festlegen lässt. Dennoch ist der Bundesrat der Überzeugung, dass die heutige Grenze von zwei Jahren sachgerecht ist. Das zeigt sich auch darin, dass der Anteil der widerrufenen bedingt oder teilbedingt ausgesprochenen Strafen weniger als 10% beträgt und seit Jahren stabil ist.

 

Im Lauf der letzten 50 Jahre wurde diese Grenze stets ausgedehnt, nie aber eingeschränkt. So erfolgte 1971 eine Ausweitung von 12 auf 18 Monate. Mit der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches von 2002 wurde sie auf anfangs 2007 auf 2 Jahre erhöht. Es besteht keine Evidenz, dass sich diese Erhöhungen negativ auf die Kriminalitätsrate ausgewirkt hätten. Allgemein wird die Abschreckungswirkung von Strafen in der Kriminologie als gering beurteilt. Es erscheint dem Bundesrat deshalb höchst spekulativ, dass eine Herabsetzung der Obergrenze für die bedingte Freiheitsstrafe zu einer grösseren Abschreckung möglicher Täterinnen und Tätern führen würde. Weil somit durch eine solche Massnahme kein sicherer objektivierbarer Nutzen erkennbar ist, könnte die Umsetzung der Motion in Konflikt geraten mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

 

Weiter hat das Parlament die jetzige Grenze im Rahmen der erneuten Revision des Sanktionenrechts im Jahre 2015 nicht in Frage gestellt; in den parlamentarischen Beratungen gab es keine entsprechenden Anträge. Immerhin erfolgten in dieser Revision zwei Verschärfungen des Sanktionenrechts: Zum einen wurde der Anwendungsbereich der Geldstrafe von 360 auf 180 Tagessätze reduziert, zum andern führte der Gesetzgeber die Möglichkeit ein, anstelle einer Geldstrafe eine kurze Freiheitsstrafe auszusprechen, wenn eine solche notwendig erscheint, um die verurteilte Person von weiteren Delikten abzuhalten. Diese beiden Änderungen hatten zum Ziel, die Freiheitsstrafe gegenüber der Geldstrafe auszuweiten. Bei der Beratung der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen im Jahre 2021 wurde die aktuelle Obergrenze zwar thematisiert; sie erfuhr jedoch keine Änderung. Im Rahmen dieser Vorlage wurde zudem die Idee, bei einzelnen Delikten wie namentlich der schweren Körperverletzung und der qualifizierten Vergewaltigung die Mindeststrafen von einem auf mehr als zwei Jahre anzuheben, um auf diese Weise die Möglichkeit von bedingten Strafen grundsätzlich einzuschränken, vom Parlament auch abgelehnt.

 

Die Regelungen der umliegenden Länder sind hinsichtlich der Obergrenze mit der hiesigen vergleichbar: Deutschland, Österreich und Italien kennen ebenfalls eine Grenze von 2 Jahren, Frankreich sogar eine solche von 5 Jahren.

 

Der Eintrag im Strafregister wegen einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe wird grundsätzlich 15 Jahre nach der Rechtskraft des Urteils aus dem Strafregister entfernt, sofern die bedingte Strafe nicht widerrufen wird.

 

Wollte man die Obergrenze entsprechend dem Anliegen der Motion senken, hätte dies auch Auswirkungen auf andere Bestimmungen, namentlich auf jene der teilbedingten Freiheitsstrafe (Art. 43 StGB), aber auch auf die Strafrahmen der einzelnen Delikte. Denn der des Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches muss zum einen in sich stimmig, aber auch mit den Strafdrohungen der einzelnen Tatbestände abgestimmt sein. Die Umsetzung der Motion hätte somit eine umfassende Revision des gesamten Strafgesetzbuches zur Folge, wie sie erst 2015 und 2021 durchgeführt wurde.

 

Eine andere Frage als die nach der Obergrenze des bedingten Vollzugs schliesslich ist jene, ob die Strafe in einem Einzelfall der konkreten Schwere der Tat und der Schuld des Täters oder der Täterin entspricht. Hierzu kann sich der Bundesrat nicht äussern. Hinzuweisen ist aber darauf, dass gerade auch der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit offensteht, ein Urteil durch die Rechtsmittelinstanz überprüfen zu lassen, wenn nach ihrer Ansicht die ausgesprochene Strafe zu tief ist.

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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