Der Bundesrat wird beauftragt, einen Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Art. 5 Abs. 2) und des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Art. 17 Abs. 1) vorzulegen, der vorsieht, dass die im Gastgewerbe erhaltenen Trinkgelder nicht mehr zum massgebenden Lohn gezählt und nicht mehr der Einkommenssteuer unterliegen.
Grund des Vorstosses:
Gemäss geltendem Recht zählen Trinkgelder zu den steuerbaren Einkünften. Dies ist in Artikel 17 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer ausdrücklich vorgesehen. Zudem zählen sie laut Artikel 5 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung zum massgebenden Lohn und somit sind darauf Beiträge and die AHV, die IV und die EO zu entrichten.
Da Trinkgelder noch bis vor Kurzem üblicherweise in bar bezahlt wurden, konnte der genaue Betrag allerdings nicht ermittelt werden. Mit der Zunahme von Kartenzahlungen können Trinkgelder nun immer besser nachverfolgt werden. Das BSV beabsichtigt daher, bis zum Herbst festzulegen, welche Regeln befolgt werden müssen, um die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.
Diese Regeln könnten sich jedoch als übertrieben erweisen und für KMUs im Gastgewerbe zu einer starken Zunahme der Bürokratie führen. Dabei ist Trinkgeld ein oftmals nur kleines Zeichen der Wertschätzung, die ein Gast einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter entgegenbringt. In Zeiten des Fachkräftemangels, der für das Gastgewerbe nach wie vor eine grosse Herausforderung darstellt, würde die Besteuerung von Trinkgeldern dazu beitragen, die gesamte Branche noch stärker zu benachteiligen.
Mit dieser Motion wird der Bundesrat daher beauftragt, eine entsprechende Gesetzesänderung vorzuschlagen, die vorsieht, dass Trinkgelder zukünftig nicht mehr versteuert werden.
Antwort des Bundesrates:
Trinkgelder gehören nur dann zum für die AHV massgebenden und beitragspflichtigen Lohn, wenn sie einen wesentlichen Anteil des Arbeitsentgelts ausmachen (Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, AHVG; SR 831.10). Dies gilt auch für die anderen Sozialversicherungen. Seit die Bedienung in der Gastronomie und Hotellerie im Preis inbegriffen ist, sind als Trinkgelder bezeichnete Leistungen der Kunden (sog. overtips) freiwillig. Es ist davon auszugehen, dass sie in der Regel keinen wesentlichen Anteil des Arbeitsentgelts ausmachen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen Trinkgelder zudem überprüfbar sein, um zum massgebenden Lohn gezählt zu werden. Im Ergebnis werden heute nur ausnahmsweise Beiträge auf Trinkgeldern erhoben, nämlich dann, wenn diese in der Buchhaltung der Arbeitgebenden erfasst sind und das Kriterium der Wesentlichkeit offensichtlich erfüllt ist. Die Praxis bei den Einkommenssteuern richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht.
Die aktuelle Rechtslage und Praxis bieten weder für die Durchführungsorgane der Sozialversicherungen und die Steuerbehörden noch für die Arbeitgebenden besondere Umsetzungsprobleme. Sie lassen den Behörden den notwendigen Handlungsspielraum, um sachgerecht auf die tatsächliche Situation in den Unternehmen reagieren zu können. Gleichzeitig stellen sie sicher, dass in Betrieben, in denen besonders hohe Trinkgelder bezahlt werden, darauf Beiträge und Steuern erhoben werden können. Die geltenden gesetzlichen Grundlagen lassen zudem die Berücksichtigung des elektronischen Zahlungsverkehrs bereits heute zu (vgl. Antwort des Bundesrates auf das Postulat Quadranti 18.3790 «Umgang mit Trinkgeldern in Zeiten starker Zunahme des Gebrauchs elektronischer Zahlungsmittel»). Entgegen der Aussage in der Begründung der Motion sind kurzfristig keine Regeln zu erwarten. Dies hindert die Verwaltung jedoch nicht daran, Überlegungen zur aktuellen Praxis anzustellen und sich darüber auszutauschen.
Eine generelle Befreiung von Trinkgeldern von der Beitrags- und Steuerpflicht würde jedoch einen finanziellen Anreiz schaffen, die Bedienung wieder vermehrt über Trinkgelder entschädigen zu lassen. Dies könnte sich negativ auf die Lohnentwicklung auswirken. Zudem würde die soziale Absicherung von Arbeitnehmenden, die in Betrieben mit hohen Trinkgeldern arbeiten, geschmälert.
Eine Sonderregelung allein für die Gastronomie und Hotellerie hätte zudem grosse Abgrenzungsprobleme und Rechtsunsicherheit für die Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zur Folge. Auch wäre damit eine sachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung im Verhältnis zu vergleichbaren Branchen (z. B. Taxi- oder Coiffeurgewerbe) verbunden.
Der Bundesrat beantragt deshalb die Ablehnung der Motion. Sollte die Motion im Erstrat angenommen werden, wird der Bundesrat dem Zweitrat einen Antrag auf Umwandlung in einen Prüfauftrag stellen.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.