Die Anfrage bezweckt, Klarheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Bezug auf neue und relevante Anlageklassen wie Bitcoin zu schaffen. Vorliegend wird die Autonomie der SNB in der Bestimmung ihrer Anlagepolitik nicht in Frage gestellt.
Angesichts der wachsenden globalen Bedeutung von Kryptowährungen stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Grundlagen noch zeitgemäss sind und der SNB die notwendige Flexibilität gewähren, um im Interesse der Stabilität des Finanzsystems zu handeln. Die globale Marktkapitalisierung sämtlicher Anlageklassen beläuft sich nämlich gemäss Schätzungen von MSCI auf 270,7 Billionen US-Dollar. Gleichzeitig beträgt die Marktkapitalisierung von Bitcoin derzeit etwa 2,02 Billionen US-Dollar und stellt damit eine zunehmend relevante Anlageklasse dar.
Gemäss Artikel 9 des Nationalbankgesetzes (NBG, SR 951.11) ist die SNB ermächtigt, zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben verschiedene Finanzgeschäfte zu tätigen. Dazu gehören der Kauf und Verkauf von Forderungen, Effekten sowie Edelmetallen (Art. 9 Abs. 1 lit. c). Es stellt sich jedoch die Frage, ob Bitcoin als Vermögenswert zur Deckung der Geldmenge unter die Bestimmungen des NBG fällt.
Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen gebeten.
- Wäre die SNB nach aktuellem Stand des Artikels 9 NBG rechtlich ermächtigt, Bitcoin als Aktivum zur Deckung der Geldmenge zu erwerben, sofern sie dies autonom beschliessen würde?
- Falls die Antwort auf Frage 1 negativ ausfällt:
- Auf welchen gesetzlichen Grundlagen basiert die Beschränkung, Bitcoin nicht als Aktivum erwerben zu dürfen?
- Welche gesetzlichen Anpassungen wären erforderlich, um es der SNB zu ermöglichen, Bitcoin im Einklang mit ihrem geldpolitischen Auftrag und unter Wahrung ihrer Autonomie als Vermögenswert zu kaufen?
Antwort des Bundesrates:
Zu 1:
Die Finanzgeschäfte (Geschäfte mit Finanzmarktteilnehmern), welche die SNB zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben einsetzen darf, sind in Artikel 9 Absatz 1 des Nationalbankgesetzes (NBG; SR 951.11) aufgeführt. Darunter fällt unter anderem der Kauf und Verkauf von auf Schweizerfranken oder Fremdwährungen lautenden Forderungen und Effekten sowie Edelmetallen und Edelmetallforderungen auf den Finanzmärkten (Art. 9 Abs. 1 Bst. c NBG). Kryptowährungen wie Bitcoin sind in dieser Auflistung der Geschäfte weder erwähnt noch ausgeschlossen. Die Rechtsnatur von Kryptowährungen ist umstritten. Der Bundesrat ordnet die klassischen Kryptowährungen wie Bitcoin (anders etwa als Stablecoins) mangels eines Forderungsschuldners als faktische, immaterielle Vermögenswerte ein (Botschaft zum Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register vom 27. November 2019, BBl 2020 233 ff., 242 f., 277). Auch in der Lehre wird diese Einordung verschiedentlich geteilt. Demzufolge liesse sich argumentieren, dass Bitcoins weder als Forderungen noch als Effekten oder Sachen zu qualifizieren sind und damit von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c NBG nicht erfasst würden. Einer solchen Sicht ist allerdings entgegenzuhalten, dass der betreffende Artikel 9 NBG bewusst offen formuliert wurde, um der SNB einen grossen rechtsgeschäftlichen Handlungsspielraum zu ermöglichen, damit sie trotz der sich dynamisch wandelnden Finanzmärkte ihre Aufgaben optimal erfüllen kann (vgl. Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes (NBG) vom 26. Juni 2002, BBl 2002 6097 ff., 6194). Das Halten neuer Arten von an den Finanzmärkten gehandelten Vermögenswerten wie Bitcoin wäre demnach nicht ausgeschlossen. Die Schranken für deren Erwerb ergeben sich in erster Linie daraus, dass die Nationalbank aufgrund ihrer Aufgaben spezifische Anforderungen an die Zusammensetzung ihrer Währungsreserven zu beachten hat [insbesondere bezüglich Liquidität, Risiko und Ertrag (vgl. Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes vom 26. Juni 2002, BBl 2002 6097 ff., 6186)]. Sofern die SNB somit aufgrund autonomer Einschätzung zum Schluss kommt, dass der Erwerb von Bitcoin oder anderer Kryptowährungen zur Erfüllung der geld- und währungspolitischen Aufgaben dienlich ist und die entsprechenden Anforderungen an die Währungsreserven erfüllt sind, wäre dies unter geltendem Recht nicht ausgeschlossen.
Die Eignung von Bitcoin als Aktivum zur Erfüllung der geld- und währungspolitischen Aufgaben wird von der SNB bislang verneint, wie sie verschiedentlich – unter anderem im Rahmen der allgemeinen Aussprache an den Generalversammlungen der letzten Jahre – ausgeführt hat. Die SNB argumentiert dabei insbesondere, dass Bitcoin wegen seiner relativ geringen Liquidität sowie seiner ausgeprägten Wertschwankungen nicht die Anforderungen an eine Anlageklasse der Währungsreserven der SNB erfülle. Falls sich diese Beurteilung der SNB künftig ändern würde, ist es aber – wie oben ausgeführt – nicht ausgeschlossen, dass sie im geltenden gesetzlichen Rahmen Kryptowährungen wie Bitcoin erwirbt.
Zu 2: Antwort entfällt, siehe Antwort zu Frage 1.