Fürsorgerische Unterbringung (FU), bewegungseinschränkende Massnahmen wie Isolation und mechanische Fixierung sowie Behandlung ohne Zustimmung (wie Zwangsmedikation) sind starke Eingriffe in die persönliche Freiheit. Sie kommen in der Schweiz häufig vor (FU-Rate durchschnittlich 1,9 pro 1000 Einwohner:innen, je nach Kanton variierend von 0,8 bis 2,8; bewegungseinschränkende Massnahmen bei durchschnittlich 12 Prozent aller Hospitalisationen in psychiatrischen Kliniken der Grundversorgung, je nach Klinik variierend zwischen 3 Prozent und 23 Prozent). Dennoch wird über deren Anwendung keine umfassende Statistik geführt. Dies kritisiert der zweite Bericht zur Umsetzung der UNO BRK in der Schweiz wie aber auch der am 16. Dezember 2022 vom Bundesrat zur Kenntnis genommene Bericht „Evaluation der Bestimmungen zur fürsorgerischen Unterbringung, Bundesamt für Justiz“.
Gefordert wird die einheitliche Erfassung, die nicht nur die FU und Zwangsmassnahmen in psychiatrischen Kliniken umfasst, sondern auch andere Einrichtungen wie Alters-, Pflege- und Wohnheime sowie somatische Akutspitäler einschliesst. Sowohl die UNO BRK wie auch der Schlussbericht empfehlen, diese Daten einheitlich zu erfassen, regelmässige Auswertungen transparent zu publizieren und eine Aufsichtsinstanz zu etablieren. Schlussendlich empfiehlt der Bericht zur Umsetzung der UNO BRK die Abschaffung von Zwangsmassnahmen bei Menschen mit psychosozialen Behinderungen.
Die Postulant:innen beauftragen den Bundesrat, eine umfassende nationale Statistik zu „FU“, „bewegungseinschränkenden Massnahmen“ sowie „Behandlung ohne Zustimmung“ zu etablieren (Schlussbericht BJ Ziff. 4.3.1, S. 137). Dies beinhaltet auch eine einheitliche Nutzung der Begrifflichkeiten (vgl. Ziff. 4.3.5, S. 141 des Schlussberichtes).
Dabei sind alle Institutionen miteinzubeziehen (im Besonderen auch Pflege- und Wohneinrichtungen sowie somatische Spitäler, bei denen derzeit eine (einheitliche) Erfassung nicht vorhanden ist).
Antwort des Bundesrates:
Auch der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine statistische Erfassung und Übersicht, die Aufschluss darüber geben können, wie oft und in welchem Kontext die fürsorgerische Unterbringung (FU; Art. 426 ff. des Zivilgesetzbuches [ZGB]) im Allgemeinen sowie bewegungseinschränkende Massnahmen und Behandlungen ohne Zustimmung im Besonderen in der Schweiz Anwendung finden, notwendig sind.
Welche Daten in welcher Form dazu erhoben werden sollen, kann jedoch erst dann festgelegt werden, wenn die zurzeit noch laufende umfassende Evaluation der zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen abgeschlossen ist. Zum ersten Teil dieser Evaluation zur FU von erwachsenen Personen liegt bereits ein externer Schlussbericht vor (abrufbar über die Medienmitteilung des Bundesrates vom 16.12.2022 „Fürsorgerische Unterbringung: Revision hat Ziele weitgehend erreicht“; www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen). Die Arbeiten am zweiten Teil zur Evaluation der FU von minderjährigen Personen sind angelaufen. Auf Basis der Ergebnisse aus beiden Evaluationen wird der Bundesrat über den Revisionsbedarf der gesetzlichen Regelungen Bericht erstatten (vgl. dazu die Stellungnahme des Bundesrates zum Postulat Wyss 23.3156 Aktionsplan für mehr Rechtssicherheit bei fürsorgerischer Unterbringung, bewegungseinschränkenden Massnahmen und Behandlung ohne Zustimmung). Eine zentrale Bedeutung wird dabei der statistischen Erfassung und Auswertung aufgrund schweizweit einheitlicher Kriterien zukommen. Dabei werden auch die im Postulat formulierten Anforderungen und Anliegen miteinbezogen werden können. Diese betreffen aber die FU von erwachsenen und minderjährigen Personen gleichermassen und können daher angesichts des Sachzusammenhangs nur gemeinsam behandelt werden.
Mit Blick auf diese laufenden Arbeiten, denen nicht vorgegriffen werden kann und soll, erscheint daher das Anliegen des Postulats für eine umfassende nationale Statistik derzeit nicht zielführend und mit Bezug auf die zukünftige statistische Erfassung verfrüht.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.